FEUILLETON-KULTURBETRIEBLICHES: Gauck will Nazis lieb und nett behandeln

FEUILLETON – KULTURBETRIEBLICHES

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„Gauck will Nazis lieb und nett behandeln“

Vor wenigen Tagen kamen mir zwei gebildete Menschen gleichzeitig in den Sinn, die sonst nicht im gleichen Zusammenhang auftreten. Kurt Tucholsky war der eine, weil er ein Gedicht über den geeigneten Umgang mit der NSDAP kurz vor dem Ende der Weimarer Republik schrieb. „Ihr müsst sie lieb und nett behandeln“, schrieb er darin, und den Faschisten Rosen auf den Weg streuen. Auch könne man sie küssen, wenn man sie trifft. Alles sei richtig, denn nur so seien die Wegbereiter von Hindenburg, Hitler und Krieg von der Marschroute ins gesellschaftliche Alltagsverbrechen abzubringen und auf den Pfad der Tugend zurück zu geleiten.

Rosen auf den Weg gestreut

Ihr müßt sie lieb und nett behandeln,
erschreckt sie nicht – sie sind so zart!
Ihr müßt mit Palmen sie umwandeln,
getreulich ihrer Eigenart!

Pfeift euerm Hunde, wenn er kläfft –:
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft

Das Gedicht ist vermutlich der einzige Text, in welchem die Satire nicht sofort erkennbar ist, weil sie vom Glanz der bahren Münze Pazifismus überleuchtet wird. Im Glanz der bahren Münze Pazifismus erscheint das Gedicht als Kritik an der Gewalt roter und brauner Straßenkämpfe, die ja doch berechtigt ist. Wir sind doch keine Noskes, Herrschaftszeiten. Das Gedicht geht dann folgendermaßen und zum Ende eindeutig satirisch weiter:

Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
sagt: »Ja und Amen – aber gern!
Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!«
Und prügeln sie, so lobt den Herrn.

Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft.

Und schießen sie –: du lieber Himmel,
schätzt ihr das Leben so hoch ein?
Das ist ein Pazifisten-Fimmel!
Wer möchte nicht gern Opfer sein?

Nennt sie: die süßen Schnuckerchen,
gebt ihnen Bonbons und Zuckerchen …

Und verspürt ihr auch in euerm Bauch
den Hitler-Dolch, tief, bis zum Heft –:

Küßt die Faschisten, küßt die Faschisten,
küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft –!

Theobald Tiger

Die Weltbühne, 31.03.1931, Nr. 13, S. 452

Der zweite kluge Mann heißt Joachim Gauck und war in besseren Tagen mal Bundespräsident, womit sich der berufliche Kreislauf vom Theologiestudenten zum Leiter der Gauckbehörde hin zur Krönung durch das Bundepräsidentenamt geschlossen hatte. Der ehemalige Päsident mit dem Ehrentitel „Freiheitslehrer“ sagte nach dem beträchtlich hohen Stimmenanteil der Nazis in Europa, man müsse der mit „erweiterter Toleranz“ begegnen. „Erweiterte Toleranz“ nach Gauck ist eine „mutige Toleranz gegenüber Intoleranten“. Franz von Papen war auch mal der Ansicht, man könnte Herrn Hitler sich abschleifen lassen, indem man ihn formaltolerant in den demkoratischen Parlamentarismus einbindet. Gauck ist aber nicht von Papen, und darum kann er viel weiter abschätzen, was passiert, wenn man die AFD nicht in parlamentarische Ausschüsse entsendet oder sie zu parlamentarischer Basisarbeit heranzieht:

„Treibt man, wenn man eine ganze Partei aus der kämpferischen Toleranz ausschließt und zu Feinden erklärt, ihre Mitglieder und Anhänger nicht noch weiter in eine Trotzreaktion?“, sagte er dem Nachrichtenportal „t-online.de“ mit Blick auf die AfD.

(zitiert nach Tagesspiegel online)

Braucht Toleranz Grenzen? Braucht Satire Grenzen? Gibt esGrenzen in der Satire, an denen das Witzemachen endet, weil es Punkte gibt, von denen aus ein Witz unanständig ist? Es ist unnaständig, sich witzig über den Urlaubswunsch seines Hausarztes zu äußern, wenn Frau Dr. bis an den Rand der Erschöpfung für den Gesundheitszustand des Spötters arbeitet. Scham und Schande.

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