FEUILLETON-REZENSION: Lesen ist Freiheit

FEUILLETON-REZENSION

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 „Lesen gefährdet die Dummheit“

 In Stefan Zweigs Schachnovelle wollte ein Nazi einen kultivierten belesenen Baron aushungern, in dem er ihm alles wegnehmen ließ, was entweder ein Buchstabe war oder womit man Buchstaben hätte aneinander reihen können. Denn aus beiden Varianten können Texte entstehen, die von Denken zeugen, und wer denkt, wird durch das Denken Leuten gefährlich, die zur Erhaltung ihrer Macht eine nichtdenkende Masse benötigen. Es ist weder völlig richtig noch völlig falsch, wenn man sagt, Denken mache auch vor den Grundlagen einer bestehenden Macht keinen Halt und würde sie daher, wenn sie Unrecht ist, zerbröseln. Das ist eine übertrieben illusorische Erwartung an die Möglichkeiten des Denkens. Das Denken von Freiheit beseitigt nicht die die Macht, die Menschen in Unfreiheit hält. Abe das Denken ist ein gutes Training, denn um frei zu werden, müssen Körper und Geist nach dem Besten ihrer Möglichkeiten zusammenarbeiten. Das sind genau genommen so viele Möglichkeiten wie es Menschen gibt, die unter Freiheit die Freiheit der Tätigen und die Geborgenheit für die tätig nicht seien Könnenden verstehen. Die starken Tätigen haben für die schwachen Untätigen Verantwortung, egal wie diese in ihre Situation gerieten, also ohne jede Leistung und trotz aller Schuld. Wer liest, kann prüfen, welch Geistes Kind der Alltag ist, mit dem man ohne Lesen und Denken sehr leicht eine Art Bündnispartnerschaft eingeht. Manchmal ist Lesen auch nur eine Geistesübung und eine Methodenschulung, um angesichts der Furcht-einflößung der Macht nicht verstört wie das Kaninchen vor der Schlange zu hocken. Es kommt dann gar nicht darauf an, was man liest, sondern nur darauf, dass es einen humanistischen Geist enthält. Oder eine aufklärende Kritik am banalen Bösen.

(Barbara Ellermeier: „Sophie Scholl. Lesen ist Freiheit“, bene-Verlag)

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