FEUILLETON-ZEITGEIST: NATO, Frontex, Krieg

Feuilleton-Zeitgeist

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„NATO, Frontex, Krieg“

 Ende Juni, Anfang Juli berichteten Print-,Web- und Fernsehmedien über einen weißen Hai, der vor der Küste Mallorcas gesehen wurde. Ungefähr eine Woche später hatte ein sogenanntes soziales, aber in der Verwendung durch seine Nutzer zum Teil verantwortungsloses Medium einen blutigen Informationshappen daraus gemacht. Es hieß plötzlich, dass sich Naturschützer darüber freuen, dass es im Mittelmeer wieder Haie gäbe. Die Anwesenheit der Haie sei aber auf die Anwesenheit der Flüchtlinge zurück zu führen. Die Haie, so hieß es in den Medien, fänden ja inzwischen genug Futter im Mittelmeer. Selbst gebildete gutsituierte Menschen nahmen diese Meldung für bare Münze, obwohl die Anwesenheit von Haien im Mittelmeer für Meeresforscher und wesensähnliche Berufsgruppen bestenfalls deshalb ein Grund zum Hurra rufen ist, weil der Forschungsgegenstand so dicht vor der Haustür schwimmt, und damit seinen Beitrag zur Kostensenkung bei Expeditionen leistet.

Haie machen eher selten gezielte Jagd auf Menschen. Immerhin muss man nicht zu ihnen schwimmen, wenn sie gerade Hunger haben. Gezielte Jagd auf Menschen findet durch andere Lebewesen statt: Menschen im Auftrag von Regierungen und den ihnen Weisung gebenden Wirtschaftsunternehmen. Zufällig zeitgleich mit der Haifutter-These der sozialen Medien und ihres Nichtnachdenkenden Teiles der Nutzer hatten Horst Seehofer deutscher Innenminister, Sebastian Kurz, österreichischer Bundeskanzler, und Victor Orban, ungarischer Ministerpräsident, Europa zur geschlossenen Festung erklärt. Auf dem Mittelmeer sollen schwerbewaffnete Schiffe mit dem Feinsten der bis heute verfügbaren polizeilichen und militärischen Überwachungstechnik gegen Schlauchboote mit entkräfteten Menschen und humanitäre Schiffe operieren, die einfach nur Leben retten. Leben zu retten ist das Einzige, was getan werden kann. Denn das Nötige, was noch getan werden muss, wenn die Geretteten innerhalb der Europäischen Union ankommen, wird ja zum Teil nicht mal für die Einheimischen getan: Arbeit und Einkommen. Trotzdem: Im Falle einer Völkernot hat man die Grenzen weit zu öffnen oder völlig außer Betrieb zu nehmen, damit sich die Ankommenden möglichst ohne Beschränkung des Bewegungsfreiraums verteilen können. Das nimmt zunächst mal den Druck, den Stress und die Enge aus der nun nicht mehr nationaen Gesellschaft eines Ziellandes oder den nationalen Gesellschaften der verschiedenen Zielländer, sondern im Idealfall auch aus der infolge der Globalisierung in Bewegung geratenen Weltgesellschaft. Stattdessen sieht sich Ungarn als den selbstlosen Helfer gegen griechische Grenzdienstpflichtvergessenheit. „Wir schützen unsere Südgrenze und halten damit Tausende Flüchtlinge ab, die sonst nach Deutschland weiterreisen würden.“ Orban soll bei Merkel vorgebracht haben, sein Land würde diejenigen Fliehenden registrieren, die Griechenland einfach durchließe.

Um ankommende Fremde lückenlos zu registrieren, sollen sie nach dem Seehofer-Plan in Transitzentren untergebracht und dort systematisch erfasst werden. Daumen hoch – Weg frei ins „Gelobte Land“, Daumen runter – Rückweisung. Um alle zu erfassen, hat Bayern an der Österreichischen Grenze seine landeseigene Grenzpolizei aus der Reserve geholt. Das sollen derzeit 500 Mann sein. Während der trügerischen Freiheit der Schenen-Zeit wurde sie Teil der Landerspolizei. Aus der trügerischen Freiheit scheint eine untrügliche Unfreiheit geworden zu sein.

Das Wort „Transitlager“ ist übrigens mindestens zur Hälfte falsch. Lager stimmt, Transit im Sinne von Durchfahrt ist nicht. Denn die Regel soll Abweisung heißen. Im Grunde handelt es sich um Internierungslager. Wo genau sollen sie errichtet werden?

 Seit Monaten wird das Säbelrasseln der NATO nicht leiser. Derzeit heißt die Losung Hochrüstung. Rüstung bleibt Rüstung. Da hilft auch keine Beschönigung. Die Bundeskanzlerin erklärte Anfang Juli, es sei ja nur eine bessere Ausrüstung der Bundswehr geplant. Das könne man nicht aufrüsten nennen. Ich denke, man kann. Man kann es deshalb, weil die Erhöhung der Wehretats mit einer neuen sicherheitspolitischen Gefahrenlage begründet werden. Die NATO hat sich im Baltikum bis an Russland heran gewanzt und wundert sich, das der russische Bär brummt.

Ausgerechnet Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, der noch als Aussenmininster vor dem Süäbelrasseln warnte, fordert von Deutschland einen höheren Beitrag an die NATO. Geld oder Kanonenfutter? „Europa muss sich im Klaren darüber sein, dass sich nicht nur die Sicherheitslage in Europa verändert hat, sondern auch das transatlantische Verhältnis und damit die Rolle der USA innerhalb der NATO.“ Verständlich wäre der Satz, wenn er gesagt hätte, dass das transatlantische Verhältnis die Sicherheitslage in Europa verändert hat. Aber so hat er es eben nicht gesagt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ließ die Katze aus dem Sack, aber sie sieht seltsam bekannt aus: 2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung soll Deutschland locker machen und nicht nur 1,5 Prozent. Spiegel Online hat in einem Artikel vom 07. Juli heraus gefunden, dass das bis 2024 ungefähr 80 Milliarden Euro für die Kriegsführungsfähigkeit wären. Und die Kanzlerin sagte: der Sparkurs und die technologische Erneuerung machten die Ausgabenerhöhung nötig. Sie hätte gerne auch erwähnen dürfen, dass damit die Vorbereitung auf den Cyberkrieg und der Einsatz ferngesteuerter Drohnen zum bequemen Töten gemeint sind. Die geplante Qualität der kommenden großen Kriege wird aber nicht ohne die herkömmlichen auch schon im Kalten Krieg sattsam geübten Wege und Formen der militärischen Mobilmachung auskommen. Im Gegensatz zur digitalen Cyberkriegsvorberetiung ist die konventionelle Kriegsvorbereitung anhand hinterlassener Spuren ablesbar. Das amerikanische Militär sprach bereits bei den deutschen vor, sie mögen doch bitte Brückenhöhen und durchfahrtsbreiten vergrößern, damit die dicken Dinger von Onkel Sam über die Straßen der Städte und Dörfer Deutschlands rattern können, um rechtzeitig zum geplanten Morden im Baltikum einzutreffen. Manchen kann es gar nicht schnell genug gehen.

 

Das Handelskriegspäludium

 

Mitunter kommt man nicht drum herum, in der Strafzölle-Dummheit zwischen USA und China einerseits in USA und Europa andererseits die unmittelbare Vorstufe zu den geplanten Kriegen um Rohstofflieferungen und sichere Handelswege zu sehen Sichere Handelswege sind eine Beschönigung. Man könnte auch sagen: ungestörte Beuteverbringung. Leider hat nicht nur der Kapitalismus als Wirtschaftsordnung mit den Handelskriegen ein Problem. Sonst könnten sie es unter sich ausmachen und uns Bescheid sagen, wenn sie fertig sind. Stattdessen ist es jämmerlich unklar, ob sich durch hitzköpfige Profitvielfraße das Niveau von Renten, Löhnen, Gesundheitsversorgung und Wohnmöglichkeiten noch weiter verringert als es die neoliberale Globalisierung schon vorbereitet hat.

 

Hierzu erschienen öffentliche Informationen:

NATO

“Führende Rolle: für Deeutschland: NATO plant Eingreiftruppe mit 30.000 Soldaten, N-TV, Samstag, 02.Juni 2018

 

“Mehr Verantwortung übernehmen”: Steinmeier fordert höheren Beitrag für NATO, N-TV, Sonntag 08. Juli 2018

 

“Zusagen an die NATO: Bundesregierung müsste Militärausgaben verdoppeln”, Spiegel-Online, Samstag 07. Juli 2018

FRONTEX

“FRONTEX-Chef: Spanien ist derzeit meine größte Sorge”, FAZ Samstag, 07.Juli 2018

 

“Ein neues Grenzregime: Die Einigung im Wortlaut”, N-TV Dienstag, 03. Juli 2018

“Flüchtlingspolitik: So ist die Lage an der Grenze zu Österreich”, Süddeutsche Zeitung, Donnerstag, 5. Juli 2018

 

“Asylpolitik: Ungarn sieht sich als Grenzwächter im Dienste Deutschlands”, Süddeutsche Zeitung, Donnerstag, 5. Juli 2018

 

“Flüchtlinge: Italien will keine im Mittelmeer geretteten Migranten mehr aufnehmen”, Süddeutsche Zeitung, Sonntag, 8.Juli 2018

 

“EU-Pläne für Flüchtlingslager in der EU und Afrika: Weggesperrt, verteilt oder abgeschoben”, Süddeutsche Zeitung, Sonntag, 01. Juli 2018

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