FEUILLETON-ZEITGEIST: Gefährderansprache

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„Gefährderansprache“

Es war wie damals, als George Bush der Jüngere Irak angriff, um Saddam Hussein zu stürzen: Erst hielt die Welt den Atem an, dann hatte sie Angst, die Kriegerei könnte allen Kriegstreibern um die Ohren fliegen, so dass sich ein kleiner Bandenkrieg zum Weltkrieg entwickelt, und dann ging zumindest in Europa alles genauso weiter wie bisher. Nur mit von Mal zu Mal etwas mehr Terror dabei.

So deutlich aber wie am Donnerstag, dem 12. April 2018, benutzte die herkömmliche Presse mit ihren dauerhaft eingenommenen Positionen noch nie seit 2014 das Wort Kriegsgefahr und und versah es mit dem Attribut unmittelbar. Die „Unmittelbare Kriegsgefahr“ also stand am 12. April in der Welt, weil Twitter-Präsident Donald Trump, USA, sie gegen Russland in Syrien androhte. Hintergrund oder Vorwand ist ein Giftgaseinsatz. Für Trump steht fest, dass Syrien Giftgas gegen Zivilisten  einsetzt. Wenn Russland sich also dem amerikanischen Vergeltungsarm als Schutzmacht Syriens in den Weg stellt, betrachtet Trump die Russen als Verbündete Syriens und will „ganz smarte Bomben“ gegen Putins Einflussbereich einsetzen. „Smart“ heißt pfiffig, klug und intelligent. Aber sind Trumps Raketen so smart, ihrem Herrn den Dienst zu verweigern? Wahrscheinlich nicht. Denn bei Dienstverweigerung könnte die Welt ruhig schlafen. So aber titelte die Zeitung „Nordkurier“: „Auf der Welt geht die Kriegsangst um“. (Sie tut das übrigens spätestens seit 2013/14).
Trump benutzt die Attribute schön, neu und smart für seine Raketen, die er gegen Russland ausprobieren will, wenn es sich mit Syrien verbündet, und gegen Syrien schon aus Prinzip. Das hatte damals noch Condoleeza Rice ihrem George Dabbeljuu Bush eingeredet, und der smarte Don machts nun. Verbünden ist ein dehnbarer Begriff. In gewisser Weise ist jeder Verhandler ein Verbündeter, denn Einigungen in Konfliktfällen erreichen die Konfliktparteien nur, wenn sie sich als Partner begreifen. Die Aufgabe eines Vermittlers heißt: Kriegsparteien zu Partnern einer Friedensherbeiführung zu machen. Es ist ganz egal, ob der Vermittler Russland oder Frankreich, Deutschland oder Finnland, Schweden oder Kuba heißt. (Wieso Kuba? Ja wieso nicht Kuba? Kuba war immerhin lange Zeit über außenpolitische Zweifel erhaben.)
Hintergrund der Kriegstrumpiade ist wie immer eine Verwechslung von Ursache und Reaktion. Russland hatte Amerika informiert, dass es besser ist, keine Raketen gegen Syrien einzusetzen. Womöglich weiß man in Moskau noch von Afghanistan her und aus dem Kalten Krieg, was Raketen bewirken und wie Weit die Wirkung vom beabsichtigten Plan abweichen kann. Wer es gerne aktueller hätte, möge den Blick nach Jemen richten. Wohin auch Raketen treffen: Immer treffen sie dort Zivilisten, Menschen wie Dich und mich.
Bevor noch Freitag der 13. April zu Ende war, ließ Trump drei Ziele anfliegen. Das waren ein Forschungszentrum, ein Stabsgebäude und ein Lager. Alle drei Liegenschaften unterstanden dem syrischen Militär, und dieses soll Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt haben. Manche haben Beweise dafür, andere nicht. Jedenfalls behaupten sie das.
Die drei Ziele haben übrigens Großbritannien, Frankreich und Amerika gemeinsam auf dem Kerbholz. Amerika, weil es ja immer zuerst kommen will, Großbritannien wegen eines mit Gift ermordeten russischen Ex-Agenten in England, und Frankreich, weil Emanuel Macron der junge Mann ist, der sich erst noch politisch ins rechte Licht setzen will.  Nach dem Waffengeheul war Ruhe. Russland wird nach wie vor beschuldigt, ein Freund Syriens zu sein, die israelischen Hunde des Kriegs heben die Köpfe, wittern und schmecken ab, ob sich im Dunst der Lage nicht auch ein paar eigene Marken setzen lassen können.

Inzwischen steht der Krieg weiterhin vor der Tür, aber nicht mehr in den Zeitungen. Eher beiläufig nur. Was aber vor der nächsten Eskalationsstufe erörtert werden sollt, so dass sie durch die Voraberörterung nicht eintreten kann, ist die Schuldfrage. Es gibt keine Interessenseite in dem Krieg, die unschuldig ist. Die Schuld verteilt sich auf alle: auf  Assad selbst, auf die Süppchen kochenden Nachbarn und die Verantwortung vorgaukelnden Supermächte. Der Internationale Strafgerichtshof, der Kriegsverbrechen verhandeln kann und soll, möge vor dem Recht auf Vorlage einer Anklageschrift eine Verwarnung aussprechen dürfen.
Sozusagen eine „Gefährderansprache“.

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