FEUILLETON-REZENSION: Das Lübecker Komplott

Rezension „Das Komplott von Lübeck“

„Verleger und Autor finden eine Leiche“

 Vor ziemlich genau zwei Jahren machte der Hinstorff-Verlag mit der Reihe Ostseekrimi eine Idee seines Autors Frank Goyke wahr. Goyke hatte nämlich dem Verlag gesagt, er könne einen Krimi schreiben, in welchem der mecklenburgische Heimatdichter Fritz Reuter als die Person mit dem kriminalisierenden Spürsinn auftritt, die in jedem Krimi die Handlungst reibende Substanzhefe sind. Die Idee gelang. 2015 erschien „Doppelmord“ – und Fritz Reuter mittenmang. im Geschehen. Damals sollte er eigentlich „Kein Hüsung“ schreiben, aber Suff und Neugier hielten ihn ab. Zwei Jahre später erschien Reuters zweiter Fall. Darin soll Reuter eigntlich „Ut de Franzosentid“ schreiben, aber Suff und Neugier halten ihn ab. Immerhin treiben Gattin Lovise und Verleger Carl Hinstorff den notorisch schreibfaulen Autor an, sich dem dem Kriminalisieren auch dem Schreiben zu widmen. Die Gattin sorgt mit Rationierung ihrer Gunstbezeigungen für einen reduzierten Alkoholkonsum von Fritz Reuter, und von Carl Hinstorff hängt es ab, ob Reuters Lebenswerk als Gesamtausgabe erscheinen kann.

Damit ist der äußere Rahmen des Krimis abgesteckt. Eine Fülle weiterer historisch-zeitgenössischer Gestalten sind schmückendes Beiwerk zu der Handlung, die damit beginnt, dass Verleger und Autor im Verhandlungsgespräch wandeln und dabei eine Leiche im Dassower See finden. Der See gehört zum Lübecker Staatsterritorium, das Ufer zu Mecklenburg, und die Leiche hat eine grenzüberschreitende Auffindungsposition eingenommen. Meckelnburg ist zuerst da, schnappt sich die Leiche und beginnt zu untersuchen. Dann kommt Lübeck und legt hanseatisch breit eigene Rechts-und Zuständigkeitsansprüche dar, und wie Goyke das Kompetenzgerangel beschreibt, ist einfach köstlich.

Stilistisch köstlich geht es im ganzen folgenden Text weiter. En passant entsteht ein Sittenbild kleinstaatlicher Alltagsgeschichte, eine Beschreibung von zeitgenössisch tagesaktuellen Aufgaben und Vorhaben der Wirtschaftsentwicklung in rückständigen agrarischen Gebieten und eine saubere Beschreibung der dadurch auftretenden Konflikte. Frank Goyke taucht ein in die Geschichte von Kleinstaaterei, Industrialisierung, Piefigkeit, Fortschritt und Bürgerlichkeit, ohne sich je darin zu verlieren. Wenn Goyke mündlich so erzählt wie er schreibt, dann kann er Leute zum Lesen begeistern, die sonst nicht lesen. Und er schafft es, Lust auf Fritz Reuter und Mecklenburgica zu machen. Das ist eine großartige Leistung.

(Frank Goyke, „Das Lübecker Komplott“, Hinstorff, Rostock 2017)

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