FEUILLETON-REZENSION: Der tote Reformator

Rezension „Der tote Reformator“

„Druckerschwärze und Lettern helfen dem Frieden“

 Frank Schlößer hat mit dem Hinstorff-Verlag den Ostseekrimi „Der tote Reformator“ veröffentlicht. Nach den zwei Greifswaldkrimis „Der Teufel vom Ryck“ und „Aufruhr am Ryck“ von Emma Wittenstein ist dies der dritte Mittelalterkrimi und der fünfte historische Krimi insgesamt nach Frank Pergandes „Inselkrähe von Mirow“ und Frank Goykes „Doppelmord: Reuters erster Fall“. Frank Schößers Krimi ist eine erzählung in einer erzählung. Ein Bettler erzählt einem Unbekannten, der in jedem Fall der jeweilige Leser des Krimis ist, die Hintergründe eines Mordfalls, so wie der Bettler die Dinge erlebt hat. Also quasi eine Zeugenaussage. Es geht um einen einen protestantischen Prediger in Rostock, den jemand ermordet hat, sowie tatverdächtige Bürgermeister, Professoren und Kirchenleute, und ein für die Herstellung der Rechtszufriedenheit vorgesehenes Justizopfer. Einige Namen sind historisch verbürgt, die Handlungen der Namensträger entspringen der Fantasie des Autors. Es ist ein solide erzählter Mittelalterkrimi mit einer bemerkenswerten Zentralstelle auf Seite 140 und kurz danach noch. Dort wird ein Treffen des Druckers Ludwig Dietz mit dem Zeugen der Geschichte erzählt. Wenn man alles weg – und nur die Worte von Druckermeister Ludwig Dietz übrig lässt, erhält man ein hochaktuelles Credo für den Frieden und die friedensstiftende und erhaltende Wirkung der Meinungsvielfalt. Ludwig Dietz spricht im Krimi darüber, warum er konkurrierende einander bekämpfende Texte veröffentlicht und damit jedem der Lesen kann zur Verfügung stellen will:

„Wenn zwei mit Worten streiten, dann müssen sie einander verstehen wollen. Deshalb ist es mir wichtig, heute die Anklage und morgen die Verteidigung zu drucken. Das verhindert Scheiterhaufen. Die meisten Scheiterhaufen in Deutschland brennen, wenn nicht mehr gedruckt und geschrieben wird. Diese Druckerschwärze, diese Lettern, helfen dem Frieden. Schon weil einer Lesen lernen muss, wenn er schreiben will.“ (Seite 140 ff)

Wenn aber also Meinungen andere Meinungen widerlegen sollen oder zu Tode überzeugen, dann werden für dieses Ziel notfalls auch Kriege geführt. Das scheint eine so langzeitgültige Wahrheit zu sein mit einer Grundbedingung für den Frieden: Wenn man verschiedene Meinungen gelten lässt, kann man die sonst anfallende Bekämpfungsenergie für gesellschaftliche und kulturelle Zwecke einsetzen. Das ist ein verlockendes Ziel.

„Der tote Reformator“ wirkt auf an dieser Stelle wie eine Mahnung der Vergangenheit an die Gegenwart, die von „Kampf gegen islamistischen Terror“, „Kampf gegen Populisten“ und „Verteidigung der Demokratie“ geprägt ist statt eine gemeinschaftliche Vielfalt mit muslimischen Kulturen, Nischen für Populisten und der Abkehr der Demokratie vom Dogma der Verteidigungsfähigkeit zum Gebot der Friedensfähigkeit zu gestalten.

(Frank Schlößer, „Der tote Reformator“, Hinstorff-Verlag, Rostock 2017)

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