Rezension: Schwarzes Gold am Bodden

Rezension „Schwarzes Gold am Bodden“

„Mit der Ölsuche sprudelten Krimi-Ideen“

von Helene Musfedder

Zwischen 2010 und 2015 suchte eine kanadische Firma Erdöl in Saal. Sie nannten die Bohrstelle Barth-11 und wenn ich meinem Chef glauben darf, der damals darüber geschrieben hat, hatten die Kanadier eine bemerkenswert starke PR-Kompanie zu Diensten, die im Grunde nur zwei Aufgaben hatte: Den Grünen zu erklären, dass hydraulische Stimulation kein Fracking ist, auch wenn es so aussieht, und der Bevölkerung zu erklären, dass mit dem Öl Arbeitsplätze kämen. Die Arbeitsplatzinhaber in der Tourismusbranche fühlten sich davon aber ein Stück weit angeschmiert. Denn die Ölförderung würde zu Lasten der touristischen Einkünfte der Region gehen. Die kriminelle Fantasie war angeregt. Es ging nur noch darum, ob sie literarisch bleiben oder buchstäblich werden würde. Da konnte ich nicht ruhig im Leselümmelsessel sitzen und rezensieren. So abgebrüht bin ich ja dann doch noch nicht. Burkhard Wetekam heißt der Mann, dessen Ostseekrimi mir die Grenzen meiner eignen Abgebrühtheit aufzeigt. Die Handlungsorte sind Zingst und Barth. Damit kommt Zingst zum zweiten Mal in seiner relativ kurzen Dorfgeschichte als literarische Tatregion vor. An mindestens zwei Stellen des Krimis sagen literarische Handlungsbeteiligte wortwörtlich Dinge, die man, wenn man dabei war, wiedererkennen kann. . Zum Beispiel die Szene der Verkostung der Spülchemikalien vor den Augen, Kameras, Ohren und Notizblöcken der Journalisten bei einem Pressegespräch. auf dem Bohrturm in Saal. Damals hatte der Geschäftsführer zum Beweis der Unbedenklichkeit der Bohrungen für das Grundwasser einen Finger in die Flüssigkeit getaucht und dann abgeleckt. Wobei – es sah vielleicht auch nur so aus. Kürzlich kam nämlich in einem anderen Zusammenhang der Gedanke auf: Wenn der damals zwar den Zeigefinger rein gesteckt, aber den Mittelfinger abgeleckt hat? Dann wäre dieser Taschenspielertrick keinem Journalisten aufgefallen. Den Krimi zeichnet ein beachtliches Geschick aus, mit dem der Autor die Zustände einer Stadt darstellt ohne sich zwischen offensichtlicher Lobschwindelei einerseits oder verächtliche Gehässigkeiten andererseits zu verlieren. Das kann nicht jeder. Versuchen Sie es – ein ausgewogenes Bild der Stadt zu zeichnen ist schwer, beinahe unmöglich. Zweitens zeichnet den Krimi ein geschickter Umgang mit der Vineta-Sage aus. Manche behaupten ja, Vineta sei Barth und bauen darauf ihr Stadtentwicklungskonzept. Wenn man dann darauf hinweist, wie es und aus welchen Gründen der Sage nach mit Vineta zu Ende ging, erntet man böse Blicke. Ähnliches Ansehen erwirbt auch, wer bezüglich der touristischen Bebauung von Zingst sagt: „Vineta hat auch so angefangen“. Drittens zeichnet den Krimi ein geschickter Umgang mit den großen Gaunern und den kleinen Gaunern aus und wie die Erkundungsbohrungen in Saal mit branchenüblichen Gaunereien zusammen hängen könnten. Das erzählt aber nur der fiktive Bauunternehmungsgauner des Romans, der sich schon mal rechtzeitig Grundstücke an der Bahnstrecke gesichert hat – falls mal eines Tages diverse Kesselwagenzüge mit Öl abtransportiert werden müssen. Dann will man ja in manchen Kreisen wenigstens noch ein bisschen die Hände aufhalten, um etwas Geld für sich selbst aufzufangen. Die Neigung zu gewalttätigen Formen der sonst üblichen Branchenkriminalität werden hier den kleinen Gaunern überlassen, wobei es interessant sind, dass die lokalen Geldeliten und Einflussgrößen noch lange nicht die Großen im Spiel sind. Erst beim Übergang von den Ölbohrern zu den Gesellschafterkreisen ahnt man, wer die großen Gauner sind. Und so kommt es, das eben einer noch zu den Kleinen gehört, obwohl er die dickste Protzyacht im Hafen zu liegen hat. Immerhin nutzt er sie auch zu mehr als einem malerischen Postkartenmotiv.

(Burhard Wetekam, „Schwarzes Gold am Bodden“, Hinstorff-Verlag, Rostock 2016)

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