REZENSION: Ich komm mal vorbei

Rezension „Ich komm mal vorbei“

„Er kommt vorbei und liest Gedichte“

Wenn einer einen Pürierstab als Zahnersatz bedichten kann, hat er vorn einen Sinn und hinten einen Sinn, den sogenannten Hintersinn. Wenn man schon einen Zahnersatz braucht, dann kann auch ein Pürierstab reichen, um den Mangel an Zähnen zu überbrücken. Denn ob die Kasse den Ersatz zahlt, ist nicht gewiss, gewiss aber ist, dass Pürierstäbe erschwinglich sind und für ein nahrhaftes Püree nicht unbedingt Zähne nötig sind. Zähne sind aber nötig, um Biss zu haben, und Biss haben im Grunde alle 117 Gedichte in Michael Krämlings Gedichtband „Ich komm mal vorbei“, erschienen im Andre Buch Verlag, Dassow 2015. Den Titel meint Michael Krämling wörtlich. Der reisende Dichter kommt tatsächlich längs und trägt seine Gedichte vor. Gern nimmt er dafür Kaffee und Kuchen entgegen und bietet die Bücher zum Kauf an. Es gab mal einen reimvirtuosen, der Ähnliches vollbrachte. Der Mann hieß Hansgeorg Stengel. Würde man Gedichte von Stengel und Krämling in einem gemeinsamen Buch veröffentlichen, so könnte man nur nach 2003 an der Jahreszahl erkennen, dass das Gedicht nur von Krämling sein kann. Dabei ist Krämlings Stil gar keine Nachahmung. Stil ergibt sich beim Dichten ja oft erst aus der Thematik. Zahnersatz, Beziehungsgeflechte, Alltagstücken und das Mitmenschenbenehmen sind ein weites Feld, auf dem noch viele Poeten vor dem Herrn ackern können. Wer sich da einen Reim drauf machen kann, leistet Großes im Bescheidenen.

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