TAGESBEMERKUNG Donnerstag, 29.Oktober 2015

Feuilleton-Zeitgeist

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„Die Angst und der fehlende Grund“

Flucht und Freihandelsabkommen

Die Kriege in Syrien, Afghanistan, Russland und der Ukraine trieben fünf Millionen Menschen zur Flucht aus ihren Lebensumfeldern. Krieg und Migration bestimmten die Berichterstattung der Medien. Aber nur in Verbindung mit 1,5 Millionen Flüchtlingen, die im Herbst in die Europäische Union gelangen wollten, weil sie dort Schutz vor der brutalen Wirklichkeit von Kriegen mit Raketen, Drohnen und Terror jeglicher Herkunft vermuteten, entstanden bei den relativen Wohlstandsbürgern der Europäischen Union Ressentiments und Ängste gegen die neuen Mitbürger. Ohne überprüfte Informationen hält sich die Überzeugung, die Neuen würden von den Jobcentern bevorzugt in Arbeit, Wohnung und Leistungbezug gebracht. Das ist ein Meisterstück niederträchtiger Öffentlichkeitsarbeit. Die Politik spricht sich für eine Beschränkung der Asylbewerberleistungen aus, bekennt sich also zu Unmenschlichkeit, und das Volk es glaubt ihr nicht, sondern vermutet Verrat an den einheimischen Armen. So spielt man die Schwachen gegeneinander aus und die merken es nicht. Im Schatten dieser aufgebauschten Angst schleicht das Freihandelsabkommen mit den USA still und leise durch die Zielgerade, und die wenigen Campagnen zum Protest gegen TTIP verhallen nahezu ungehört, weil die Armen, die kleinen Leut und der Mittelstand in Deutschland mit ihrer Angst befasst sind. Beängstigende Dinge passieren in Deutschland tatsächlich, aber das Beängstigende ist nicht der Zustrom von 1,5 Millionen Syrern. 1,5 Millionen Flüchtlinge sind in Bezug auf rund 80 Millionen Einheimische wie die Angst vor der Überschreitung des Pegelhöchststandes, wenn Klein Erna mit Heini in die Elbe spuckt.

Angstbewältigung.

Zur Überwindung der Angst gibt es drei Möglichkeiten: bannen durch Erkennen, miteinander reden oder sich aus dem Weg gehen. Bannen durch Erkennen heißt, das man erkennt, wo irgendein Horst Ängste schürt. Vor dem sollte man sich dann wirklich in acht nehmen. Wenn so ein Schürer keine Ruhe gibt, dann kann das Stochern in der Glut zum Flächenbrand führen. Hatten wir alles schon mal vor relativ gar nicht so langer Zeit. Braunt sich hier wieder etwas zusammen? Das führt direkt zum Thema TTIP. TTIP ist im Grunde die Ausschaltung der Demokratie im Sinne des neoliberalen Glaubensbekenntnisses, welches lautet: die effektivste Selektion findet auf dem Markt statt. Dieser neoliberale Sozialfaschismus ist zu Recht angsteinflößend. Denn er führt zu einem globalen Faschismus. Seine Selektionsrampe heißt Wettbewerb, und er sortiert die Lebensfähigen aus und nennt sie lebenswert, und vernichtet die Schwachen, Kranken, Arbeitslosen, in dem er deren Würde und ihre Existenzmöglichkeiten den Marktalgorithmen preisgibt. Bei der Einführung der Erfindung von Hartz Vier sagte einer von denen, ob Wolfgang Clement oderFranz  Müntefering oder jemand anders – egal, die Arbeitslosigkeit müsse bleiben, weil die neue soziale Marktwirtschaft eine Sockelarbeitslosigkeit brauche. Das war vor fast soviel Jahren wie das Tausendjährige Reich gedauert hat.

Fazit:  Solange Wege übrig bleiben, können wir ausweichen. Denn es gibt Alternativen. Wir schaffen das.

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