Rezension: “Der Rügener Sandkobold”

REZENSION

Rezension „Der Rügener Sandkobold“

„Rügener Heimatkunde“

Von Christina Seidel erschien im Demmlerverlag das Kinderbuch „Der Rügener Sandkobold.“ Das Buch ist Reiseführer und Heimatkunde, bei dessen Lektüre sogar erwachsene Leser den Wunsch verspüren, noch mal Kind zu sein, noch mal zur Schule zu gehen, und mit solch einem Buch Unterrichtsstunden im Fach Heimatkunde zu besuchen – sie würden glatt auf die Pausen verzichten. Selbst Nachsitzen wäre keine Strafe, sondern eine Auszeichnung. Die Seiten des Buches sind gestaltet wie die Küstenlandschaft in der glasklaren Sicht des Rückseitenwetters beim Durchzug einer Zyklone. In den Kapiteln geht es um die Erlebnisse zweier Kinder im Ferienaufenthalt auf Rügen. Eines ist von Rügen, der erklärt immer alles, und die andere von irgendwo, wahrscheinlich Berlin, jedenfalls ist sie ortsfremder Herkunft. Er zeigt ihr die Insel und erklärt alles – immer schön mit Geschichten, Sagen und Anekdoten – und dann kommt, wie im Lehrbuch, der Aufgabenteil zum Kapitel. Die kindlichen Leser werden abgefragt zum Inhalt des Kapitels, und als erwachsener Leser stellt man dabei fest, wie unaufmerksam man manchmal liest. Man denkt noch, man habe alles gelesen, kann aber keine Frage beantworten. Mir scheint das zum Teil typisch erwachsen zu sein, denn Zuhören können Erwachsene oft auch nicht – weder unter Ihresgleichen noch im Gespräch mit Kindern. Und dann kommt da noch ein Sandkobold vor. Die Kinder finden den am Strand beim Bernstein suchen, und dann stellt der ihnen nach und nach ein Flugzeug aus Sand zur Verfügung, mit dem sie dann in nullkommanix an jedem beliebigen Ort der Insel sein können. Ein kleiner Trick der Fantasie, aber so schön wie die Fotos und Zeichnungen im Buch. Dunkel kann ich mich an ein Buch erinnern, welches ich als Kind bei meinen Großeltern fand. Da kamen auch zwei Kinder vor und eine Art Kobold, mit dem sie dann um die Welt reisten. In dem Buch meiner Großeltern hatte der Kobold Ulle Bam hieß der –  kein Flugzeug, aber eine Feder am Hut, und wenn er die berührte, konnten sie alle drei fliegen. Soweit ich das heraus finden konnte, erschien das Buch 1953 im „Altberliner Verlag“. („Ulle Bam auf neuer Fahrt“ von Georg Willroda) Der Altberliner Verlag war ein privat geführter  Verlag für Kinder-und Jugendbücher. Sogar Bezüge zur Rea-und Aktualität fehlen nicht in Christina Seidels Buch. Der Sandkobold gerät nämlich in den kurz in den Verdacht, am großen Autobahnsandsturm auf der A 19 im Jahr 2011. So ein Sandkobold muss nämlich auch manchmal Sandstürme verursachen, aber er erklärt glaubhaft, nie solche Stürme zu machen, bei denen Menschen zu Schaden kommen.

cover rezi sandkobold

Richtig geschickt ist die Auflösung des Übergangs von der Fantasie zur geerdeten Wirklichkeit. Der Kobold kann einem nämlich Sand in die Augen streuen, dann vergisst man alles. Und das Ich-Erzählende Kind bekommt mit, wie der Kobold schon mal ne Ladung Sand klar macht, damit die Kinder die Existenz von ihm, Kobold, vergessen sollen. Und weil das Ich-Erzählende Kind ein Mädchen ist, versteckt sie sich hinter dem Rücken des dazugehörigen Jungen und kann sich an alles erinnern- Ätsch. Und das Buch ist ein so schönes Kinderbuch, dass man es unbedingt auch als Erwachsener lesen soll.

(Christina Seidel, „Der Rügener Sandkobold“, Demmler-Verlag, Körkwitz 2014)

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