Rezension Zeit des Zorns

Hannes Nagel

Rezension „Zeit des Zorns“

Freitag, 20. September 2012

Revolution A.B.S. – Am Besten Sofort

Zuerst waren es Menschen beim Arbeitsamt, die sagten: „Man müsste hier mal eine Bombe reinschmeissen“. Natürlich tat es keiner, aber der Druck der Ämter motivierte bisweilen Menschen zu einer vom Amt so nicht gemeinten Motorik. Herbert Grönemeyer würde sagen: „Meine Faust will unbedingt in sein Gesicht“. Aber das geht nicht, und deshalb kommt auch keine soziale Revolution in Gang. Schade. Denn Jutta Ditfurth schreibt in ihrem Buch „Zeit des Zorns“: „Glück und Leben des Menschen werden von der kapitalistischen Produktionsweise in einem so ungeheuren Ausmaß beeinträchtigt, dass jede einigermaßen realistische Vorstellung davon zur sozialen Revolution gegen ebendiese führen müsse“. Und zwar A.B.S. Am Besten Sofort. Das wird schon am Anfang deutlich. In der Einleitung spricht Volkes Stimme, weil Volkes Stimme ja immer die Dinge einleitet, die passieren, auch wenn Volkes Stimme am Anfang noch stockend artikuliertes Gebrabbel ist. Das Volk wird von einem Busfahrer vertreten, der sagt: „Schade, dass es heute keine Revolution mehr gibt“. Danach kommen pro Kapitel verschiedene Thesen und Gedanken, womit das Buch eine konstruktive Kritik am Kapitalismus ist und nicht nur eine aus ohnmächtiger Wut gebrüllte Verdammung. Konstruktiv ist sie, weil sie wie in einer Matrizengleichung die massgeblichen Einflüsse auflistet. Ziemlich vollständig, wie ich finde: Profitgier, Wertehierarche, Umweltzestörung, Krankheit, Menschenrechte, Kriminalität, Besitz. Menschen sind in dieser kapitalistischen Matrize eine unbedeutende Größe, Rechte auch, Gesundheit sowieso. Sehr anschaulich sieht diese Matrize aus – ganz wie in der Mathematik. Nur fehlt ihr die Aufstellung des Gleichungssystems, welches dann gelöst werden kann, und am Ende steht x = 1 oder soziale Gerechtigkeit und Weltfrieden. Aber die fehlt. Der Kapitalismus verarscht die Demokratie und die Menschenrechte, zertritt Schöpfung und Kultur, und das alles bloss wegen ein paar Milliarden Euro. Warum gelingt es nicht, den naheliegenden Gedanken der Parallelwelt mit Leben zu erfüllen? Warum sind wir eigentlich immer noch bereit, den Kapitalismus zu bezahlen, statt ihn überflüssig werden zu lassen? Das sind so Fragen, die kommen bei der Lektüre. Der Kapitalismus wäre längst pleite, wenn er seine eigenen Kosten selber tragen müsste. Aber er lebt ja auf unsere. Das können wir uns nicht mehr leisten. Und DARUM müssen wir ihn auf den Prüfstand stellen und SEINEN Gürtel enger schnallen.

 Jutta Dittfuhrt, „Zeit des Zorns“, Westend-Verlag, Frankfurt an der Börse, 2012

Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton-Rezension abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.