Rezension: “Was gesagt werden muss”

 Hannes Nagel

Rezension „Was gesagt werden muss“

Freitag, 06. April 2012

„Wer Waffen hat, gefährdet den Frieden“

 Bäcker backen Brötchen und Kuchen. Schriftsteller fügen Worte aneinander. Bäcker erfüllen kohlenhydratische Wünsche und Bedürfnisse. Schriftsteller erfüllen Wünsche nach Gedanken. Die Erzeugnisse von Bäckern und die Erzeugnisse von Schriftstellern müssen verdaut werden. Sonst sind sie unbekömmlich.

Über die Kalorienbomben aus den Bäckereien erregt sich niemand. Nicht einmal dann, wenn sie den Körper bis zur Unkenntlichkeit aufblähen. Es herrscht Einigkeit, dass jeder, der sich beim Bäcker etwas Kohlenhydratisches holt, selber wissen und verantworten muss, was er sich und seinem Körper antut. Die maßvolle Nutzung der Bäckereierzeugnisse gilt ebenso als reine Privatsache wie der Mißbrauch. Wenn sich ein Mensch infolge Tortenmissbrauchs zugrunde richtet wie die drei Damen in dem Lied von Udo Jürgens („Aber bitte mit Sahne“), ist das immer noch Privatsache.

Wenn ein Schriftsteller denkt und es veröffentlicht wird, denkt es in den Lesern weiter. Dieses Weiterdenken ist ebenfalls Privatsache. Wenn Denken die Kritikfähigkeit schärft, so ist dies eine ganz persönliche Folge für denkende Leser, die ihre Kritikfähigkeit schärfen. Denken, Meinen und Reden sind frei. Wenn sich Gedanken, Meinungen und Äußerungen unterscheiden, nennt man das Vielfalt und diese Vielfalt ist etwas Wunderbares. Jemanden nieder zu reden bedeutet, eine Meinung auszulöschen. Meinungen darf man nicht auslöschen. Man darf auch keine Menschenleben auslöschen und keine Staaten. Daher darf man auch niemandem die Mittel zum Auslöschen in die Hand geben, sie in irgendeiner Hand dulden, oder Unterschiede zwischen den Händen machen, in denen sich solche Mittel befinden.

In dieser Weise habe ich Günter Grass gelesen und empfunden und daher gar nicht verstanden, wieso er nun niedergeredet wird. Denn eigentlich hat er nur gesagt, dass es für ihn unerheblich ist, wer von zwei Streitenden eine Atombombe besitzt. Von allen, die sie haben, ist keiner ungefährlicher als der andere.

Es gibt keinen gerechten Krieg. Wer Waffen besitzt, gefährdet den Frieden.

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